Zu Gast beim Bischof. Halberstadt als königlicher Aufenthaltsort im frühen und hohen Mittelalter

Organisatoren
Pfalzenarbeitskreis Sachsen-Anhalt; Zentrum für Mittelalterausstellungen e. V. (Magdeburg); Geschichtsverein für Halberstadt und das nördliche Harzvorland e. V.
PLZ
38820
Ort
Halberstadt
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
20.10.2023 - 21.10.2023
Von
Simon Groth, Projekt Repertorium der deutschen Königspfalzen - Band Sachsen-Anhalt, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Zum zehnten Mal in seiner Geschichte versammelte sich der am 15. März 2012 in Magdeburg gegründete Pfalzenarbeitskreis Sachsen-Anhalt zu seiner jährlich stattfindenden Herbsttagung, die seitdem lediglich in den Jahren der Corona-Pandemie ausgesetzt werden musste. Dem eigenen Anliegen folgend, durch wechselnde Tagungsorte die Erforschung der königlichen Pfalzen Sachsen-Anhalts an den jeweiligen Orten im Land zu präsentieren, fand die diesjährige Veranstaltung am 20. und 21. Oktober in Halberstadt statt. Ziel war es, dieses Mal unter der Überschrift „Zu Gast beim Bischof“ einen interdisziplinären und vergleichenden Blick auf Halberstadt als königlichen Aufenthaltsort im frühen und hohen Mittelalter zu werfen. Als Gastgeber fungierte die Stadt Halberstadt zusammen mit dem Geschichtsverein für Halberstadt und das nördliche Harzvorland e.V. Die sehr gut gefüllten Reihen des Auditoriums zeugten von dem erneut großen Interesse an der Veranstaltung durch die Mitglieder des Pfalzenarbeitskreises und die Stadtbevölkerung des Tagungsortes.

Den Auftakt bildeten Grußworte von Volker Bürger in seiner Funktion als Stadtratsvorsitzender und Vorsitzender des Geschichtsvereins, dem Halberstädter Oberbürgermeister Daniel Szarata, dem Wissenschaftlichen Direktor der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt Eike-Henning Michl und der Leiterin des Kulturhistorischen Museums Magdeburg Gabriele Köster in ihrer Funktion als Co-Vorsitzende des Zentrums für Mittelalterausstellungen, das Mitorganisator des Workshops war. Der Vorsitzende des Pfalzenarbeitskreises Sachsen-Anhalt, Stephan Freund, bot schließlich einen kurzen Rückblick auf die Geschichte des Pfalzenarbeitskreises und leitete ins Thema Halberstadt als Aufenthaltsort und die Rolle des Bischofs als Gastgeber ein.

Die erste Sektion eröffnete KRISTIN LOGA (Bremen/Göttingen) mit einer sprachwissenschaftlichen Erkundung des Ortsnamens Halberstadt. Von einigen Bemerkungen zur Namenforschung als Disziplin und der Bedeutung von Namen(forschung) für die Geschichte ausgehend, stellte sie zunächst die Belege des Namens „Halberstadt“ in der mittelalterlichen Überlieferung vor, dem eine Interpretation der beiden Bestandteile dieses zusammengesetzten Ortsnamens folgte. Während das Grundwort „-stedt“ als Suffix den Ort als Wohnstätte oder bewohnten Platz ausweist, ist die Deutung des ersten Teils des Namens komplex. „Halvera/Halbera“ sei eine alte Bildung, die wohl als Teilabschnittsname des Flusses Holtemme, an dem die Stadt Halberstadt liegt, zu verstehen ist und entweder auf ein tief eingeschnittenes Flussbett oder die Teilung des Flusses in zwei Arme verweisen könnte. Der ursprüngliche Flussverlauf, der im 19. Jahrhundert verändert wurde, hatte mit dem Kulkgraben in der Tat einen Seitenarm, der für die Wahl des Ortsnamens möglicherweise von Bedeutung gewesen war. Anschließend gab MARITA GENESIS (Potsdam) am Beispiel von Siptenfelde, bei dem noch immer nicht gesichert nachzuweisen ist, wo sich genau die königliche Pfalz befunden hat, vielfache Einblicke in das Handwerkszeug einer Archäologin und diskutierte die drei bislang angenommenen unterschiedlichen Orte für die Lage der Pfalz, wobei sie die Notwendigkeit der Kombination von älteren und neueren Methoden veranschaulichte.

Die folgende Sektion wurde von zwei archäologischen Zweierteams gebildet, die auf der Grundlage einer Revision älterer Fundberichte und darauf aufbauenden eigenen Forschungen die Bischofssitze in Halberstadt und Magdeburg vorstellten. Zunächst gab CAROLINE JANICK (Halberstadt) einen Einblick in die Forschungsgeschichte zur Domburg und hob den oftmals persönlichen Einsatz der Mitarbeiter des Stadtmuseums für die nach 1945 aufgrund der Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges zugänglich gewordenen Ausgrabungsstellen hervor. Daran anknüpfend stellte TOBIAS SCHOO (Lüneburg) die verschiedenen Möglichkeiten bezüglich der Beantwortung der Frage nach dem königlichen Aufenthaltsort vor und betonte die Schwierigkeiten, hier zu gesicherten Ergebnissen zu gelangen. Anschließend wurde der Fokus über Halberstadt hinaus gerichtet und die dortigen Befunde mit der Situation in Magdeburg kontrastiert. SANDRA KRISTZ (Heidelberg) widmete sich unter Bezugnahme auf die Ausgrabungen von Rainer Kuhn den verschiedenen Bauphasen auf dem Domhügel und Domplatz und rekonstruierte eine (mindestens) vierphasige Baugeschichte. Sowohl die Existenz eines großen Sakralbaues als auch die einer ottonischen Pfalz wurde dabei als unwahrscheinlich eingeschätzt, vielmehr wird die Nutzung des nachgewiesenen Steinbaus als Abts- und später Erzbischofpfalz präferiert. LENA SCHULTEN (Heidelberg) konzentrierte sich auf die Entwicklungsgeschichte des benachbarten Doms und zeigte auf der Grundlage von Vergleichen zu anderen Kirchenbauten ebenfalls die verschiedenen Stufen und fortgesetzten Veränderungen am Magdeburger Dom bis hinein in das 12. Jahrhundert auf.

Den Abendvortrag gestaltete ANDREAS BIHRER (Kiel) unter der Überschrift „Ungebetene Gäste? Mittelalterliche Könige zu Besuch bei Bischöfen“. Den Ausgangspunkt seiner Ausführungen bildeten die konkurrierenden Königsansprüche Ottos IV. und Friedrichs II. zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Bei einem Besuch in der Bischofsstadt Konstanz sei es dabei durch den Wettlauf, wer diese zuerst erreichte und vom Bischof Gastung erhielt, zu einer öffentlichen Machtprobe gekommen, die Friedrich II. für sich entscheiden konnte. Darauf aufbauend stellte er zunächst die insgesamt zwölf Besuche in Konstanz von Karl dem Großen bis zu Maximilian I. vor. Drei Leitfragen und die Perspektivenumkehr, im eigenen Vortrag weniger die Sicht des Königs als die des Bischofs zu spiegeln, dienten ihm hierbei als Heuristik: 1. Was waren die Anlässe für die Besuche? 2. Wie gestaltete sich das jeweilige Verhältnis zwischen König und Bischof? 3. Was für Folgen ergaben sich aus dem Besuch? Vergleiche mit Paderborn, Halberstadt und Bremen mündeten in das Fazit, dass regionale Besonderheiten eine immer mitzudenkende Heterogenität der Besuche je nach Stadt (und Bischofssitz) evozierten. Dementsprechend gelte es, weniger nach Strukturen zu suchen, als den Einzelfall zu berücksichtigen.

Die erste Sektion des zweiten Tages wurde von STEPHAN FREUND (Magdeburg) eröffnet, der sich den Bischöfen von Halberstadt und ihrem Verhältnis zu den Ottonen zuwandte. Nach einem Rückblick auf die „Gründung ohne Gründer“ und die damit zusammenhängende Urkundenproblematik machte zunächst ein „Draufblick“ auf die Besuche deutlich, dass Halberstadt nicht im Zentrum des königlichen Interesses gelegen habe. Ein folgender „Einblick“ differenzierte die individuellen Verhältnisse zwischen den Halberstädter Bischöfen und den ottonischen Herrschern. Ein „Ausblick“ auf das „Erbe der Ottonen“ verdeutlichte auch an dieser Stelle die Konkurrenzsituation zu Magdeburg. Mit Merseburg thematisierte CHRISTOPH MIELZAREK (Magdeburg) dann einen anderen Vergleichsort. Im Zentrum stand die doppelte Funktion des Ortes als Bischofssitz und königlicher Pfalzort und die sich daraus ergebenden Besonderheiten. Obwohl auch hier die Überlieferung bruchstückhaft ist – trotz der eigentlich guten Überlieferungslage mit dem historiographischen Werk Thietmars von Merseburg –, lasse sich erkennen, dass Merseburg aufgrund seiner Lage eine herausgehobene Rolle für die ottonischen Könige und ihrer Kommunikation mit den östlichen Reichen zugekommen sei.

Eine ganz andere Problemlage der Überlieferung wurde dann von CHRISTIAN WARNKE (Magdeburg) aufgezeigt, der die Urkunden für das Stift Gernrode, für das lediglich zwei königliche Aufenthalte überliefert sind, einer kritischen Autopsie unterzog. Hebelpunkt war die einleitend festgestellte Differenz zwischen der sich aus dem urkundlichen Bestand ergebende Gründungsgeschichte und dem Bericht Thietmars von Merseburg. Da Warnke für verschiedene Urkunden die Möglichkeit der späteren Fälschung in den Raum stellte, sei der Bericht Thietmars bis auf Weiteres vorzuziehen.

CHRISTOF PAULUS (München) stellte mit Augsburg einen weiteren Vergleichsort vor, durch den der Raum der mittelalterlichen Saxonia verlassen wurde. Auch hier zeigte sich die bereits von Bihrer konstatierte idiographische Spezifik jeden Ortes. Für Augsburg habe zu gelten, dass vor allem das persönliche Verhältnis von Otto dem Großen zu Bischof Ulrich von Augsburg bestimmend gewesen sei. Trotz nur drei feststellbarer Besuche habe es einen intensiven, mitunter persönlich geprägten Austausch gegeben, der sich auch durch Aufenthalte des Augsburger Bischofs am Hofe Ottos realisieren konnte. Hierdurch sei Augsburg ein – zumindest für die Zeit Ottos und Ulrichs – politischer Vorort des Reiches mit einer Scharnierfunktion für die Verbindung der nördlichen mit den südlichen sowie den westlichen mit den östlichen Teilen des ottonischen Herrschaftsraumes gewesen. Das persönliche Moment habe sich jedoch nach dem Tode Ulrichs überholt.

Den Abschluss bildete der Arbeitsbericht von MARKUS C. BLAICH (Hannover) zu einem derzeit laufenden wissenschaftsgeschichtlichen Projekt über die Bedeutung von Adolf Gauert für die Erforschung der mittelalterlichen Königspfalzen in der noch jungen Bundesrepublik, das sich aus der vorherigen Beschäftigung mit der Königspfalz Werla ergeben hatte. Als Leiter des am neu gegründeten Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen angesiedelten Forschungsprojektes kam Gauert hierbei eine zentrale Stellung zu. Von der Auswertung der überlieferten Korrespondenz im Nachlass sowie ergänzenden Aktenbeständen und Zeitzeugenbefragung ausgehend, skizzierte Blaich den großen Einfluss Gauerts, der selbst nur wenig publizierte, dem aber über den differenzierenden Einsatz als Gutachter bei der Beantragung von Forschungsmitteln eine Schlüsselfunktion zugekommen sei.

Eine Zusammenfassung von Stephan Freund sowie eine Führung durch Dom und Domschatz von der Museumsdirektorin Uta-Christiane Bergemann beendeten den ertragreichen Workshop, dessen Ergebnisse im zehnten Band der eigenen Schriftenreihe im kommenden Jahr publiziert werden sollen.

Konferenzübersicht:

Begrüßung und Einführung

Kristin Loga (Bremen/Göttingen): Der Ortsname Halberstadt

Marita Genesis (Potsdam): Die archäologische Methode – Neues und Altes Hand in Hand

Caroline Janick (Halberstadt) / Tobias Schoo (Lüneburg): Die Domburg in Halberstadt: Forschungsgeschichte, neueste Ergebnisse und die Frage nach einem königlichen Aufenthaltsort

Sandra Kristz (Heidelberg) / Lena Schulten (Heidelberg): Magdeburg: Bischofsplatz und Dom vom 10. bis ins 13. Jahrhundert

Abendvortrag: Andreas Bihrer (Kiel): Ungebetene Gäste? Mittelalterliche Könige zu Besuch bei Bischöfen

Stephan Freund (Magdeburg) Die Bischöfe von Halberstadt und die Ottonen – ein nicht immer einfaches Verhältnis

Christoph Mielzarek (Magdeburg): Zum Vergleich: Der Bischofssitz Merseburg als königlicher Aufenthaltsort

Christian Warnke (Magdeburg): Urkunden für Stift Gernrode

Christof Paulus (München): Otto I. und Augsburg

Markus C. Blaich (Hannover): Gauert und die Pfalzen

Zusammenfassung und Ausblick

Exkursion: Domplatz, Dom und Domschatz

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